Warum unterscheidet man die Alterspsychiatrie als eigenständiges Teilgebiet der Psychiatrie, was sich dann auch in den klinischen Versorgungsstrukturen widerspiegelt?
Prinzipiell können im höheren Lebensalter alle auch im jüngeren und mittleren Erwachsenenalter vorkommenden psychischen Erkrankungen auftreten, sei es als Ersterkrankung oder als zum wiederholten Mal auftretende Krankheitsepisode.
Allerdings unterscheiden sich die einzelnen Krankheitsbilder im Alter oft von ihrem Erscheinungsbild in jüngeren Jahren, sowohl in Bezug auf die Häufigkeit und den zeitlichen Verlauf ihres Auftretens als auch in Hinblick auf Ausprägung und Symptomatik. Prägende Einflußfaktoren auf psychische Erkrankungen im Alter sind von körperlicher Seite her die häufige Multimorbidität, Gebrechlichkeit und Immobilität älterer Menschen, in sozialer Hinsicht Vereinsamung und eine jahrzehntelange Lebensgeschichte sowie nicht zuletzt die mit der letzten Lebensphase einhergehende Konfrontation mit Krankheit, Sterben und Tod. Zu beachten ist dabei, dass die somatischen, psychischen und sozialen Fähigkeiten und Fertigkeiten beim alternden und alten Menschen intra- und interindividuell sehr schwanken. Die Abgrenzung von "normalen" und "pathologischen" Alterungsprozessen ist oft schwer zu treffen.
Von daher ist es gerechtfertigt, die Alterspsychiatrie (= Gerontopsychiatrie) als eigenständiges Teilgebiet der Psychiatrie anzusehen, in welchem sich Vorgehensweise, diagnostische Methoden, präventive, therapeutische und rehabilitative Interventionen sowohl qualitativ wie quantitativ unterscheiden müssen von der "Allgemeinpsychiatrie" (= "Erwachsenenpsychiatrie").
In der stationären Gerontopsychiatrie häufig zu behandelnde Krankheitsbilder sind die sogenannten affektiven Störungen wie Depression oder bipolare Erkrankungen, akute Verwirrtheitszustände („Delir“) und anhaltende Demenzerkrankungen, schizophrene und wahnhafte Störungen („Psychosen“). Diese werden in den folgenden Abschnitten kurz erläutert.
Auch Suchterkrankungen im Alter sind nicht selten und werden in Absprache mit der Klinik für Suchtmedizin stationär behandelt. Belastungs- und Krisenreaktionen, Suizidversuche, Angst- und Zwangsstörungen, somatoforme Störungen sowie Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen machen oft ebenfalls eine stationäre Behandlung unumgänglich.